2023-10-05
Kraniomandibuläre Dysfunktionen (CMD) sind ein Sammelbegriff für eine Reihe von Erkrankungen, die das Kiefergelenk und die zugehörigen Muskeln und Strukturen betreffen. Doch wie effektiv ist die Physiotherapie als Mittel zur Behandlung dieser Erkrankungen?
Betrachten wir zunächst die wissenschaftliche Perspektive. Eine eingehende Untersuchung von Studien, die seit den 1950er Jahren durchgeführt wurden, legt nahe, dass die Physiotherapie erhebliche positive Auswirkungen auf CMD-Patienten hat, insbesondere wenn ihre Beschwerden mechanischer oder funktionaler Natur sind (1). Bei CMD-Schmerzpatienten konnte eine besonders hohe Wirksamkeit der Physiotherapie beobachtet werden. Die Voraussetzung dafür ist jedoch eine gründliche Diagnostik und Befundung des Patienten, wobei die manuelle Funktionsanalyse ein entscheidender Faktor ist.
Was bedeutet das für die Behandlung? Neben der manuellen Therapie, die eine nachgewiesene hohe Wirksamkeit aufweist, wird die allgemeine Krankengymnastik als wertvolle Ergänzung empfohlen. Basierend auf den individuellen Bedürfnissen des Patienten können stabilisierende Übungen für die Halswirbelsäule (HWS) und eine Haltungskorrektur empfohlen werden. Ein maßgeschneidertes Heimübungsprogramm kann ebenfalls helfen, die erzielten Fortschritte zu festigen.
Ein interessanter Aspekt dieser Untersuchungen ist die Überlegung, ob auch bei okklusal bedingten Problemen – das heißt bei Problemen, die durch den Biss des Patienten verursacht werden – eine Physiotherapie sinnvoll ist. Die Antwort lautet ja, insbesondere als Unterstützung im Rahmen einer zahnärztlichen Behandlung.
Wichtig ist jedoch zu beachten, dass die Physiotherapie in diesem Bereich spezielle Kenntnisse erfordert. Daher ist eine spezialisierte Ausbildung von entscheidender Bedeutung, um optimale Ergebnisse zu erzielen.
Das Kiefergelenk sollte nicht isoliert betrachtet werden, sondern im Zusammenhang mit anderen Strukturen, zu denen es Beziehungen hat. Dies betrifft sowohl arthrogene und myogene Strukturen als auch die umliegenden anatomischen Strukturen. Hierzu gehören die kranial-ossären und neurogenen Strukturen. Es besteht eine erkennbare Verknüpfung zwischen HWS und anderen Strukturen wie dem Kranium und dem Kiefer. Das komplette Verständnis dieser Beziehungen steht noch aus, macht jedoch die Behandlung von CMD zu einem interdisziplinären Anliegen.
Abschließend kann gesagt werden, dass die Physiotherapie eine vielversprechende Behandlungsoption für CMD-Patienten darstellt, jedoch muss sie stets auf den individuellen Patienten abgestimmt und im Kontext einer ganzheitlichen Behandlung betrachtet werden. Das Streben nach Weiterbildung und das Verständnis der komplexen anatomischen und funktionellen Zusammenhänge sind dabei unerlässlich.
(1) https://www.springermedizin.de/evidenz-von-physiotherapie-bei-kraniomandibulaerer-dysfunktion/8329626
Stephan - 07:48:41
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